ENGLISH
© Lisl Steiner
23. September 1960. Fünf Tage sind seit der Ankunft von Fidel Castro in New York als Chef der kubanischen Delegation vergangen, die während der 15. Periode in den Sitzungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen anwesend sein wird.
Ab demselben Augenblick seiner Landung im Flughafen Idlewild (derzeit John Fitzgerald Kennedy) um 16:34 Uhr am Nachmittag des 18. September 1960 war die Erwartung wegen der Anwesenheit des kubanischen Revolutionsführers in New York riesig. Außerdem waren in diesem Zusammenhang hohe Anspannungen verzeichnet worden, als die kubanische Delegation im Shelburne Hotel, zwischen der 37. Straße und der Lexington Avenue, eingezogen war und sie bereits einen Tag nach ihrem dortigen Aufenthalt auszogen.
Nach mehreren Stunden erfolglosen Suchens eines neuen Hotels und als ihnen klar wurde, daß die Besitzer der verschiedenen Hotels in der Stadt von New York sich weigerten, sie aufzunehmen, entschied Fidel Castro, daß wenn die Dinge sich nicht änderten, die kubanische Delegation Zelte in den Gartenanlagen vor den Gebäuden der Vereinten Nationen aufschlagen und nachts darin schlafen mußte.
Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt, bis der afroamerikanische Besitzer des Hotels Theresia, im Stadtteil Harlem gelegen, kostenlose Unterkunft für die gesamte kubanische Delegation anbot, die aus etwa 40 Personen bestand. Sie erreichten jenes Hotel um 23:30 Uhr in der Nacht vom 20. September 1960 nachdem sie von Dag Hammarskjöld, Generalsekretär der Vereinten Nationen, empfangen worden waren.
Einige Tage später, in der Nacht vom 23. September 1960, gingen Fidel Castro und Nikita Chruschtschow gemeinsam auf der Straße vom georgianischen Herrenhaus in der Park Avenue 680 spazieren - eines der vier, die zum Pyne-Davison-Row-Gebäude gehören und zwischen den Straßen East 68 und East 69 gelegen ist -, das seit 1947 das Hauptquartier der sowjetischen Delegation vor den Vereinten Nationen gewesen war und auch auch weiterhin der Unterkunftsort der sowjetischen Delegation ist und Nikita Chruschtschow während seiner Besuche in New York vorsteht und um sich jetzt um die 15. Periode bei den Sitzungen der Vereinten Nationen zu kümmern.
Der sowjetische Premier Nikita Chruschtschow hatte Fidel Castro zum Abendessen in dieses Herrenhaus in der Park Avenue 680 eingeladen und nun befinden sich beide auf der Straße, umgeben von sowjetischen Geheimagenten und vom Sicherheitsdienst Chruschtschows, sowie von einigen Mitgliedern der kubanischen Delegation, die gleichzeitig den Schutz von Fidel Castro zur Aufgabe hatten, ferner von der reichliche Anwesenheit von Journalisten, Fotografen und von einer große Publikums-Ansammlung begeisterter Menschen.
Fidel Castro improvisiert eine Rede an alle Anwesenden, die die emotionelle Intensität des Augenblick deutlich erhöht.
Lisl Steiner im Stephansdomplatz von Wien im Jahr 2015, 55 Jahre nach ihrer historischen Aufnahme von Fidel Castro am 23. September 1960 in New York. Foto: José Manuel Serrano Esparza.
Die Fotografin Lisl Steiner, die freiberuflich für Life, Time, O Cruzeiro und Keystone Press Agency tätig ist, befindet sich mit Ihrer 24 x 36 mm Format Leica Kamera mit Entfernungsmesser ganz in der Nähe; diese ist an einen 50-mm-Objektiv gekoppelt und mit einem Schwarzweissfilm Kodak Tri-X 400 geladen.
Es ist nicht einfach, Aufnahmen in dieser Umgebung zu machen, da sowohl die Begeisterung spürbar geweckt wurde und die Spannung anwuchs, weil die sowjetischen Geheimagenten des Sicherheitsdienstes genau darauf achten, daß niemand dem sowjetischen Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow oder dem Außenminister Andrei Gromiko, der genau hinter ihm steht, zu Nahe kommt.
Andererseits ist es noch schwieriger, sich Fidel Castro zu nähern, der neben Raúl Roa (kubanischer Minister für Auswärtige Beziehungen) steht und von zwei beieinanderstehenden Männern hohen Ranges der kubanischen Delegation beschützt wird, die jahrelang Guerrilla-Kämpfer im Krieg gegen den Diktator Baptista waren und über reichliche Kampferfahrung an der Front verfügen und gleichzeitig Arbeiten als Fidel‘s Leibwächter durchführen: Major Juan Almeyda und Hauptmann Antonio Núñez Jiménez, je einer auf jeder Seite von Fidel Castro postiert, sind mit dem Auftrag versehen, jeglichen Aggressions- oder Mordversuch zu neutralisieren; denn es wird befürchtet, daß ein möglicher Anschlagsversuch gegen das Leben des kubanischen Revolutionsführers erfolgen könnte.
Beide Männer genießen von Fidel das höchste Vertrauen.
Juan Almeyda ist einer der höchst angesehenen Kommandanten des Guerrilla-Kampfes der kubanischen Armee, nahm mit Fidel an den Sturmangriff auf das Hauptquartier Moncada im Jahr 1953 teil und dirigierte mit Ernesto Che Guevara die Verteidigung der 81 Expeditions-Guerrillakämpfer unter dem Kommando von von Fidel Castro, die während des Gefechts in Alegría de Pío im Jahr 1956 eingekreist worden ware. Anschließend nahm er an einer Reihe von Kämpfen in Sierra Maestra gegen die Kräfte Batista‘s teil und wurde von Fidel Castro zum Stabschef der III Östlichen Front und der Kolonne Santiago de Cuba ernannt.
Antonio Núñez Jiménez seinerseits, der damals 37 Jahre alt und ein renommierter Wissenschaftler in Kuba war - Gründer der Sociedad Espeológica de Cuba, im Jahr 1951 Ph.D. an der Universität von La Habana und Mitglied der National Speological Society der Vereinigten Staaten ab 1956 - wurde ein revolutionärer Guerrillakämpfer im Krieg gegen Batista. Er kämpfte unter dem Befehl von Ernesto Che Guevara während des Befreiungfeldzuges von Zentral-Kuba im Jahr 1958, er war Hauptmannsassistent von Ernesto Che Guevara in der Festung La Cabaña während des ganzen Jahres 1959, ist nun Direktor des Instituto Nacional de Reforma Agraria seit 1959 und war einige Monate lang Direktor des Colegio de Artillería Camilo Cienfuegos.
Lisl Steiner hat es geschafft, beim Bestreben Fidel Castro zu fotografieren, bis auf eine etwas höhere Position zu klettern, auf dessen linker Seite sich Raúl Roa und Antonio Núñez befinden, während Nikita Chruschtschow und Andrei Gromyko rechts davon stehen und Juan Almeyda sich etwas dahinter an der rechten Seite des kubanischen Revolutionsführers befindet.
Lisl Steiner sieht, daß der Augenblick für Fotoaufnahmen günstig ist und es gelingt ihr ein Schnappschuß und sie bekommt ein großartiges Bild, worin sie Fidel Castro in seiner typischen olivgrünen militärischen Kampfuniform auf dem Film festhält, während er seine Rede hält und seine Mütze in der fechten Hand hält.
Wenn man alle Umstände berücksichtigt, ist es eine bemerkenswerte Fotografie; denn obendrein wird die leistungsstarke Leuchtlampe einer 16 mm-Filmkamera von einem Operator gehandhabt, der sich ganz in der Nähe von Fidel befindet und beeinflußt dabei stark das Antlitz des kubanischen Führers und insbesondere von Nikita Chruschtschow und Andrei Gromyko, obgleich sich die rechten Seiten der Gesichter von Antonio Núñez Jiménez, Raúl Roa und Kiril Trofimovich Mazurow (erster Sekretär der weißrussischen kommunistischen Partei) im Schatten befinden; dieser trägt einen schwarzen Smoking mit Krawatte nebst einem gestreiften weißen Hemd und befindet sich hinter Núñez Jiménez und Roa und beobachtet Chruschtschow und Gromyko. Dies fügt diesem äußerst repräsentativen Bild eine Wirkung hinzu, wonach die Fotografin die ganz besondere Atmosphäre des Augenblicks dieses historischen Geschehens erfaßt, ebenso durch die Wahl einer Medium-Blende - wahrscheinlich f / 5.6 - und einer längeren Verschlußzeit ergänzt, die ihr ermöglichten, eine große Schärfentiefe bei der Abbildung von Fidel Castro‘s bebender linker Hand zu bekommen, die er während des Gespräches bewegt.
Die Schärfe, der Kontrast und die wunderschöne Bildästhetik, die von der nicht sphärischen Summicron-M 50 mm f/2 stammen, sind für jene Zeit wirklich beeindruckend.
Wie es auch sei, bei dieser Art von fotojournalistischen Bildern sind die Hauptfaktoren nicht die Technischen, sondern die Erfahrung der Fotografen, um im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, um sich dem Thema und dem genauen Zeitpunkt zu nähern und dann auf den Auslöseknopf der Kamera zu drücken, also grundlegende Bestandteile um ein gutes Photo zu machen, was wiederholt von dieser renommierten Fotografin erklärt wurde, die außer ihrem Können und ihrem Mut und unter Beweis zu stellen, eine weitere Errungenschaft erläutert hat: keine der sechzehn Personen, die in diesem erstklassigen graphischen Dokument des zwanzigsten Jahrhunderts erscheinen, blickt in die Kamera.
EINE AUFNAHME FÜR DIE GESCHICHTE
Die Aufnahme Fidel Castros‘s von Lisl Steiner ist sowohl eine bedeutende Fotografie als auch ein wichtiges historisches Bild, das innerhalb eines großen Stresses und unter schwierigen Bedingungen gemacht wurde, das auf dem ersten Blick getroffen werden konnte, weil die Fotografin nicht nur um das weitmöglichste Annähern an das Objekt kämpfen mußte, sondern auch dem Einflussbereich zweier Filmkamera-Operatoren (16 mm bzw. 35 mm) ausweichen mußte, die äußert nahe bei Fidel waren und ihn filmten und auch einen anderen Fotografen, der ebenso nahe bei dem kubanischen Führer war und der eine Großformat 4 x 5 Grafik-Kamera bediente, die an einem Graflex III Zell Blitzlicht gekoppelt war und ein äußerst starkes Licht ausstrahlte.
Einige Aufnahmen, die von der 16 mm-Filmkamera aufgenommen wurden, bieten einen Einblick in die Bedingungen, unter denen Lisl Steiner fotografieren mußte und die großen Sicherheitsmaßnahmen, die in der unmittelbaren Umgebung von Fidel Castro und Nikita Chruschtschow getroffen wurden.
José Manuel Serrano Esparza
lunes, 30 de noviembre de 2015
Suscribirse a:
Entradas (Atom)